Stans NW: Simulation am Ausbildungszentrum SWISSINT weiter ausgebaut

Seit drei Jahren arbeitet das Ausbildungszentrum SWISSINT erfolgreich mit Gaming- und Simulationstechnologie und integriert diese laufend in weitere Kurse.

Der Einsatz der militärischen Simulationssoftware Virtual Battlespace 4 ermöglicht unter anderem ein kosteneffizientes und umweltschonendes Üben von bestimmten Szenarien.

Text Oberstleutnant i Gst Olaf Niederberger, ehemaliger stellvertretender Kommandant Ausbildungszentrum SWISSINT

Gebannt verfolgen zwei Nachrichtenoffiziere des Tactical Operations Centre (TOC) den Livestream der Skylark II Drohne, welche hoch über Appenzell die bisher friedliche Demonstration auf dem Landsgemeindeplatz beobachtet. Ein heller flackernder Fleck dominiert plötzlich das schwarzweisse Übertragungsbild der Infrarotkamera. „Da, die haben ein Auto angezündet“. Einige Dutzend der zuvor friedlich scheinenden Demonstranten lösen sich vom Hauptpulk und ziehen eine Spur der Verwüstung durch die Appenzeller Innenstadt. Wichtige Sekunden verstreichen und im TOC schauen mittlerweile alle wie gefesselt auf den grossen Bildschirm der Drohnenübertragung.

„Das ist Sache der lokalen Polizei“, murmelt der verantwortliche „Battlecaptain“ vor sich hin. Vermutlich, um sich selbst von seiner Inaktivität zu überzeugen. Ein kleiner Hinweis der Übungsleitung, ob er sich der Richtung, in welche sich der Mob bewegt, bewusst sei, ändert sein Verhalten schlagartig. „Verd…, die kommen ja in unsere Richtung, hol mir den Kommandanten der Unterstützungskompanie an den Funk“, befiehlt der „Battlecaptain“. Keine Sekunde zu früh wird der für die Sicherung des Bataillonshauptquartiers (Bat HQ) zuständige Verband über das drohende Unheil orientiert.

Anspruchsvolle Übungsszenarien

Währenddessen agiert der für die Bewegung der eigenen Truppen zuständige MOVCON-Offizier geistesgegenwärtiger. Ein Blick auf das Führungssystem zeigt ihm dank sogenanntem Blue Force Tracking, dass der sehnlichst erwartete Konvoi sich nur zwei Kilometer vor Appenzell befindet. Realisierend, dass es wohl ein schlechter Zeitpunkt ist, um mit 60 000 Liter Diesel ins Bat HQ zu fahren, befiehlt er dem Konvoi-Führer einen gesicherten Halt zu beziehen. Während der MOVCON-Offizier den „Battlecaptain“ über die getroffene Massnahme zu informieren versucht, diskutiert dieser gerade mit einem Operationsoffizier, ob der Antrag des Sicherungszugführers, nichtletale Mittel gegen den Mob einzusetzen, welcher mittlerweile die Hauptzufahrt zum Bat HQ blockiert, den gültigen Einsatzregeln entspricht.

Der Tag wird für die Offiziere des TOC hektisch bleiben. Eine Patrouille gerät in einen Hinterhalt und die vorgesetzte Stufe kann keine Helikopter zur Evakuation der Verwundeten zur Verfügung stellen. Während die Blockade vor dem Hauptquartier unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken beseitigt werden kann, entlädt sich die Wut des Mobs anderswo. Eine Kirche der religiösen Minderheit der ALPHA geht in Flammen auf. Der lokale Polizeikommandant beschuldigt auf den sozialen Medien die UNO-Truppen einer unnötigen Eskalation gegenüber friedlichen Demonstranten. Die bisher von den Ereignissen verschonte unterstellte finnische Kompanie meldet ebenfalls Ausschreitungen rund um das von ihr geschützte Flüchtlingslager in Waldstatt. Wäre das nicht alles schon genug, kündigt sich aufgeschreckt von den Ereignissen der vorgesetzte Brigadekommandant zu einem Überraschungsbesuch an.

Einsatz von Simulationssoftware ist sinnvoll

Die beschriebenen Szenen stammen aus dem am Ausbildungszentrum (AZ) SWISSINT durchgeführten MILAK/PSO Kurs mit angehenden Berufsoffizieren. Im Rahmen der Interoperabilitätsausbildung wurde in dieser Sequenz die Lageverfolgung eines multinationalen Bataillons trainiert. Die Ereignisse, mit welchen sich die beübten Anwärter auseinander zu setzen hatten, wurden zu wesentlichen Teilen über eine Simulationssoftware (Sim) eingespiesen, welche am AZ SWISSINT seit etwas mehr als zwei Jahren Verwendung findet.

Das Beispiel zeigt auf, welche Vorteile die Nutzung von Sim-Technologie als Ergänzung zu anderen Ausbildungsmethoden bieten kann. Einerseits steigert der Sim-Einsatz die Immersion und damit verbunden den Realitätsgrad einer Übung signifikant. Der Livestream einer simulierten Drohne unterscheidet sich beispielsweise kaum vom realen Erlebnis. Auch ist der Einsatz von Sim kostengünstig. Um ein ähnliches Szenario im Gelände realistisch darzustellen, müssten dutzende, wenn nicht hunderte von Soldaten eingesetzt, Fahrzeuge bewegt und Plätze gesperrt werden.

Ausbildung auch auf taktischer Stufe

Die Nutzung der Sim-Software hat sich am AZ SWISSINT über die vergangenen zwei Jahren stetig weiterentwickelt. Anfänglich stand vor allem die qualitative Steigerung der technischen Ausbildung im Zentrum. So wird die Sim-Software in mehreren Kursen erfolgreich für die Schulung in den Bereichen Kommunikation, Navigation, Beobachtungsund Patrouillentechniken eingesetzt. In den vergangenen Monaten wurde der Fokus vermehrt auf die Ausbildung der taktischen Stufe gelegt. Unter anderem die Verbandsausbildung im Bereich Konvoischutz oder, wie geschildert, im Rahmen der Ausbildung der Lageverfolgung. Neben dem eigenen Interesse an einer realistischen und kostengünstigen Ausbildung sollen die gewonnen Erkenntnisse auch in die Ausgestaltung der zukünftigen Simulationslandschaft der Armee fliessen.


In-game Aufnahme eines UNO-Konvois im Appenzellerland: Die Möglichkeit der detaillierten Geländegenerierung kombiniert mit der offenen Architektur der Simulationssoftware erlaubt die Verwendung der Software für eine Vielzahl von Anwendungsfällen der gefechtstechnischen und der taktischen Stufe.

Auch im Militärbeobachterkurs trainieren die in- und ausländischen Offiziere verschiedenste Szenarien mithilfe der Simulationssoftware Virtual Battlespace 4. — © SWISSINT






 

Quelle: Schweizer Armee
Bildquelle: Schweizer Armee